Transylvania Chronicles - Bollwerk am Tihuta Pass
Geschätzter Diago,
es ist nun August im Jahre des Herrn 1483. Viel ist geschehen seit wir uns das letzte Mal sahen und nun, da mein Abschied von meiner neuen Heimat, dem Lande hinter dem Wald naht, nehme ich mir das erste Mal Zeit zurückzublicken und die Geschichte noch einmal an mir vorüber ziehen zu lassen. Ich schreibe dir um dich auf die Aufgabe, die vor dir steht hinreichend vorzubereiten. Dies ist die Geschichte meines Aufbruchs gen Osten und allem was danach geschah. Möge es dir eine Ahnung von der Natur unserer Gemeinschaft vermitteln und dir klar machen, welch ein Privileg die Teilnahme daran ist.

Mit freundschaftlichem Respekt,
Ubiquios


Februar AD 1198: nach Buda-Pest
Meine Vergangenheit, so kurz sie auch war, holte mich ein. Ein Brief eines mir unbekannten "zukünftigen Mentors", wie er oder sie sich nannte, lud mich in seinem und dem Namen meines Sires nach Buda-Pest ein. Der Gedanke die alte Schlange Raoul los zu sein entpuppte sich als Wunschtraum, und trotzdem war ich auf eine merkwürdige Weise gespannt auf ein Wiedersehen mit ihm.
Die Reise nach Buda-Pest selbst war lang, einsam und letztendlich völlig Ereignislos. Doch allein die Neugier auf das Land im Osten war Unterhaltung genug.
In Buda-Pest angekommen stellte ich jedoch rasch fest, das ich nicht der einzige war, der auf dem Weg zu diesem mysteriösen Freund war. Eine höchst interessante Gruppe hatte sich mit mir, Fabien, Louis, Rudolf und Piere zusammengefunden. Was diese vier an sich hatten, das auch sie hierher gerufen wurden war mir schleierhaft, aber es ging mich letztendlich auch nichts an. Nach den obligatorischen Vorstellungen machten wir uns auf den Weg nach Pest. Die Stadt war noch voller Leben. Auf dem Markt priesen die Händler noch zu später Stunde ihre Waren an. Wein, Obst, Stoffe und Menschen. Der Sklavenhandel schient prächtig zu laufen, was angesichts der Qualität der Ware erstaunlich war. Bauernpack, dreckig und dumm, einer wie der andere. Allesamt, bis auf eine. Denn just als wir dem Händler gerade den Rücken zukehrten, riss sich die von ihm angebotene Ware, eine junge Frau, los, stieß ihn zu Boden und verschwand in den Gassen Budas. Ob es nur die freudige Erwartung eines interessanten Mahls wahr, die mich veranlaßte sie zu verfolgen kann ich jetzt nicht mehr sagen. Ich erinnere mich jedoch genau daran, wie furchtlos sie mir gegenüberstand, als ich sie in einer Sackgasse stellte. Sie stellte sich als Sherazhina Basarab vor. Tochter einer edlen Familie Walachiens. Ich beschloß, sie mit mir zu nehmen. Zunächst dachte ich nur an eine angenehme Reisebegleitung und eine stattliche Entlohnung, wenn ich sie ihrer Familie zurückbrächte. Doch schon unsere nächste Begegnung in dieser Stadt ließ mich diese Meinung gründlich überdenken. Denn schon wenige Minuten später sprach uns ein Mann an. Ein feiner Pinkel, die Nase in den Sternen doch die Stiefel voller Matsch und Scheisse. Er fragte nach Sherazhina, zunächst freundlich, dann jedoch behauptete er im Namen des Prinzen einen Anspruch auf das Menschenkind zu haben. Wir schickten den Aufschneider davon, doch blieb es Louis' Augen nicht verborgen, dass er uns auf dem ganzen Weg bis zu unserem Treffen verfolgte und beobachtete.
Doch leider blieb auch dies nicht unsere letzte Unannehmlichkeit in dieser Stadt. Gerade als wir wieder in die Hauptstraße einbogen, sahen wir einen alten Mann mit wirrem Haar, der eine Menschenmenge anstachelte. Einfache Leute hatten sich hier mit primitiven Waffen und Fackeln zusammengerottet und lauschten dem merkwürdigen Prediger. Wir wollten sie unbehelligt lassen und uns an ihnen vorbei zu schleichen, doch sie waren hinter uns her, nur hinter uns. Warum verbleibt auch heute noch unbekannt. Wir entkamen dem Mob leicht und erreichten endlich den Treffpunkt, an dem unser Wohltäter auf uns warten sollte.
Dieser Wohltäter jedoch war zunächst eher eine Enttäuschung. Nicht nur war Raoul anwesend, sowie die Sire meiner neuen Begleiter. Nein zudem war unser neuer Mentor ein Ventrue. Wenzel Rickard, der Prinz von Buda-Pest, der sein äusserstes gab uns wohlgesonnen zu stimmen.
Der Auftrag, den diese erlauchte Gruppe für uns hatte, war ein Bauauftrag. Die Ventrue Transylvaniens, so erklärte er uns, verlangten nach mehr Sicherheit in ihrem Gebiet um sich ihren Rivalitäten mit den dort ansässigen Tzimisce zu widmen. Doch die ständige Bedrohung aus dem Osten ließ die Patrizier nervös werden. Deshalb wurde seitens der Ventrue beschlossen, eine Trutzburg auf dem Tihuta Pass im östlichen Siebenbürgen zu errichten. Eine Aufgabe die zwar auf den ersten Blick eher unspäktakulär wirkte, bei näherem Hinsehen jedoch reich an Möglichkeiten und Prestige war.
Somit war es beschlossen, wir erhielten ausreichend Mittel zum Bau eines ersten Turmes und machten uns auf die Reise zu unserer ersten Zwischenstation: Bistritz.

März, nahe Klausenburg, Siebenbürgen
Diese Nacht auf der Straße nach Bistritz rief noch Jahre später Rachegefühle in mir hervor. Unser Wagenzug geriet in einen Hinterhalt. Der Auftakt zu diesem feigen Angriff war ein brennender Pfeilregen, der viele unserer Diener tötete und uns aus unseren Feuer fangenden Wagen trieb. Dann griffen sie an. Doch hatten sie unsere Stärke wohl weit unterschätzt. Beherzt schlugen wir sie zurück und schon glaubten wir der Sieg gegen diese Räuber wäre ein Leichtes, da stiessen wir auf ihre Herren. Zwei von unserer Art waren es, Gangrel, die die Bande offenbar anführten. Nach zähem Kampf schlugen wir auch diese in die Flucht. Doch erst als wir unsere Wagen löschen ließen, erkannten wir die wahre List der Diebe. Im Getümmel des Kampfes hatten sich die Komplizen der Räuber an die Wagen angeschlichen und uns bestohlen. Nahezu das gesamte Gold war verschwunden.
Trotzdem setzten wir unsere Reise fort. Auf den letzten Meilen reisten wir zudem nicht allein. Ein junger Tzimisce namens Myca Vykos aus Konstantinopel stiess mit seinem Gefolge zu uns. Er war ebenfalls auf dem Weg nach Bistritz und lud uns zu einem Treffen mit Prinz Radu ein. Vielleicht, so sagte er uns, könne der Prinz uns helfen.

Bistritz
In Bistritz angekommen, dinierten wir am Hofe Prinz Radus. Ich war misstrauisch, denn die Tzimisce haben zwar den Ruf sehr gastfreundlich, aber auch wild und grausam zu sein. Radu jedoch war ein Musterbeispiel östlichen Adels. Neben Vykos und uns war noch ein weiterer Gast geladen, ein Nosferatu namens Zelios, der in dem Ruf stand einer der hervorragendsten Baumeister der zivilisierten Welt zu sein.
Die Abendunterhaltung war äusserst anregend. Wir berichteten dem Prinzen von der uns bevorstehenden Aufgabe. Er war von der Idee sehr angetan und riet uns Zelios mit der Planung der Befestigung zu betrauen. Wie wir feststellten richteten nicht nur die Ventrue, sondern auch die Tzimisce ein sorgenvolles Auge gen Osten. Nicht nur vermittelte er uns einen Baumeister, sondern erklärte sich auch bereit, den Bau finanziell zu unterstützen. Nun, Rickards Rechnung dürfte damit etwas steigen, was mir jedoch Sorgen bereitete war etwas anderes. Denn meine Karriere in Transylvanien mit einer Schuld zu beginnen, könnte sich als der Anfang weit größerer Probleme herausstellen, doch welche Wahl hatten wir schon? Wie dem auch sei, am nächsten Abend brachen wir auf in die transylvanischen Alpen, zum Tihuta Pass.

April, Tihuta Pass
Am frühen Abend erreichten wir den Pass. Eine schmale Straße zog sich dorthin, eine Felswand zur einen, eine steile Schlucht zur anderen Seite. Wahrlich eine exzellente Verteidigungsposition. Wir fanden rasch den Ort der zukünftigen Burg. Die Ruinen eines alten Turmes sollten uns als Fundament dienen.
Als wir den Ort inspizierten, stellten wir fest, das wir nicht allein waren. Ein Irrsinniger des Mondclans stellte sich uns im Dickicht gegenüber. Wir waren bereits versucht den wild brabbelnden zu vertreiben, als sich seine Begleiterin vorstellte. Lucita war nicht nur eine Clansschwester, sondern auch das Kind eines angesehenen und mächtigen Vampirs namens Moncada. Sie entschuldigte sich angemessen für das Benehmen ihres Freundes Anatole und erklärte, das sie beide auf der Suche nach alten Schriften im Keller des Turmes waren, als wir ankamen.
Wir öffneten den Keller gemeinsam. Es war nicht mehr als ein großer Raum, angefüllt mit Staub und verrotteten Möbelstücken, weshalb wir schnell fündig wurden. Die alten Schriften bestanden aus einigen Steintafeln, bemeißelt in einer fremden Sprache und einer Goldtafel, von der Louis annahm, sie könnte Hinweise auf die Übersetztung der Tafeln enthalten. Ich ließ Kopien der Tafeln anfertigen und händigte sie unseren beiden Gästen aus, die daraufhin Abschied von uns nahmen. Weiterhin ließ ich Kopien der Steintafeln, nicht aber der Goldtafel zusammen mit unserem vorläufigen Bericht an Wenzel Rickard schicken. Den Schlüssel, so dachte ich, sollte ich doch besser für mich behalten.

Der Bau
Zelios traf einige Tage nach uns an, als unsere Zelte bereits standen, und begann umgehend mit der Planung. Doch noch mangelte es uns an einfachen Arbeitskräften. Daher beschlossen Piere und ich, die Einwohner der umliegenden Dörfer zu rekrutieren. Zunächst waren diese Bemühungen zumindest teilweise von Erfolg gekrönt. Die ersten beiden der fünf Dörfer waren zwar arm und konnten nur wenige Arbeiter entbehren, doch waren sie leicht einzuschüchtern. Das in Transylvanien herrschende Klima der Angst der einfachen Leute bleibt mir noch heute als einer der größten Verdienste der Tzimisce in Erinnerung.
Doch ich schweife ab. Im dritten Dorf schon hätte sich Pieres und mein Schicksal um Haares Breite endgültig erfüllt. Werwölfe! Die Mondbestien hielten dieses, sowie das Nachbardorf. Sie töteten uns nicht, obwohl dies wahrscheinlich durchaus in ihrer Macht gestanden hätte. Uns zu demütigen und davonzujagen schien ihnen genug zu sein, wahrscheinlich damit wir die Kunde ihrer Territoriumsansprüche verbreiten. Mit ungutem Gefühl machten wir uns auf den Weg zu unserer letzten Station. Das Haus des Ältesten der Gemeinde war schnell gefunden und so machten wir uns bei ihm vorstellig. Zu unserer Überraschung schien er von edlem Blute zu sein, da er einen Diener in seinem großen Haus beschäftigte. Piere versicherte mir jedoch, das wir es trotzdem nur mit einem Menschen zu tun hatten. Wir kamen schnell zur Sache und verlangten ganz offen nach Arbeitskräften und Geld. Mit gespieltem Gehorsam verschwand er im Obergeschoß um sein Geld zu holen, kehrte statt dessen jedoch mit Schwert und Kreuz zurück. Angesichts der heiligen Insignien ergriff uns die Furcht und wir flohen aus dem Haus dieses Fanatikers. Kaum waren wir draußen, verfluchte ich mich ob meiner Feigheit. Von einem einfachen Menschen vertrieben worden zu sein wollte ich nicht auf mir sitzen lassen und ich verspürte das dringende Verlangen zurückzukehren, um diesen anmaßenden sterblichen den Preis seines Ungehorsams zahlen zu lassen. Ein einziger Blick in Pieres Augen sagte mir, das er ebenso dachte. Beruhigend zu wissen, das der Clan der Rose noch Menschen mit Wagemut in seine Reihen aufnimmt.
Erneut klopften wir an der Tür. Kaum hörten wir das Schaben des Riegels traten wir die Tür mitsamt dem Diener ein und stellten den Herren des Hauses im Hauptraum, bereit seinem ohnehin kurzen Leben ein noch rascheres Ende zu bescheren. Piere sprang auf ihn zu und hatte bereits mehrere Hiebe ausgeteilt, bevor ich die Beschwörung meiner dunklen Unterstützung beendet hatte. Doch es war hoffnungslos. Weder kalter Stahl noch die eisige Dunkelheit des Abgrundes vermochten es, ihn zu verwunden. Welle auf Welle meiner dunklen Arme ergriffen ihn und lösten sich wie im Licht der Sonne auf. Noch heute, fast dreihundert Jahre nach unserer Flucht spiele ich oft mit dem Gedanken dieses Dorf doch noch niederzubrennen, nun, da sein Beschützer wenn schon nicht meinen, dann doch den Fängen der Zeit erlegen ist. Allein die Muße dazu fehlte mir bisher.
Doch zurück in die Vergangenheit. Mit nur wenigen Arbeitern und noch weniger Geld gingen die Arbeiten nur schleppend voran und ich war mir sicher das unser Scheitern bereits nicht mehr abzuwenden sei. Doch wieder einmal Blickte das Schicksal gnädig auf uns hernieder. Myca Vykos erreichte unser Lager nahezu genau zu dem Moment, als wir unseren letzten Heller ausgaben. Gerne stellte er uns genug Geld zur Vollendung des Baus zur Verfügung. Er tat gerade so als wäre sein Auftreten reiner Zufall, als reise er immer mit soviel Gold über Land. Er verlangte nicht einmal eine Rückzahlung. Einzig einen Gefallen, sagte er, würden wir ihm Schulden. Aber welche Wahl blieb uns als sein Geld anzunehmen? Er hinterließ mir einen halben Ring als Erinnerung und verließ uns.
Von nun an ging der Bau ohne weitere Verzögerungen von statten. und schon bald erhielten wir die Nachricht, das unsere geschätzten Erschaffer eintreffen würden, um unseren Erfolg mit uns 'zu feiern'.

Wie du sicher weißt, war all dies erst der Anfang. Doch dies ist eine andere Geschichte.



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