Transylvania Chronicles - Der Fall Goratrix, 1314
Omen, 1314
Während wir, Piere, Ladislas, Fabien und ich selbst, in diesem Jahr in meinem Empfangssaal saßen um weitere Schritte zu bereden, drängte sich ein ungebetener Besucher herein. Gekleidet in Lumpen und einen römischen Brustpanzer, ungewaschen mit zerzaustem Haar und wirrem Blick. Er war blass, seine Fangzähne blitzten auf während er uns ansprach, nein er beschwor uns geradezu.
Vor über hundert Jahren hätte er uns bereits vor dem Ende gewarnt, sagte er, doch wir hätten nichts getan. Der Verlust eines heiligen Landes, der Bruch eines heiligen Ordens und der Fall eines großen Magus, drei Zeichen seien eingetreten doch sieben weitere würden folgen. Daraufhin brach er zusammen und blieb einen Moment lang regungslos. Als er wieder aufstand schien sein Irrsinn vorrüber und nun erkannte ich in ihm auch den wirren Propheten von den Straßen Buda-Pests, der uns einen Mob auf den Hals hetzte. Doch er richtete sich auf und stellte sich höflich als Octavio aus Aquincum vor. Als wir ihn nach seiner Prophezeihung fragten, berichtete er uns von seinen Visionen, die wie er glaubte das Ende der Welt voraussagten. Das erste Zeichen, sei schon fast vollendet, das heilige Land war gefallen, der Templerorden zerschlagen, nur die Identität des großen Magus vermochte er nicht zu erkennen, doch schon das nächste Zeichen war ihm bekannt. Der Krieg der Kinder würde die Generationen der Kinder des Kains entzweien. Als er berichtet hatte kehrte er zurück nach Buda-Pest und lies uns mit vielen offenen Fragen zurück.
Auch Zelios hat mich in diesem Jahr wieder besucht. Dank seiner gute Arbeit bei der Verstärkung meiner Burgverteidigung, war ich damals in der Lage die mongolische Invasion nahezu unbeschadet zu überdauern. Bereits bei unserem letzten Zusammentreffen sprach der Baumeister vom Dämonen Kupala, der die Erde Transylvaniens seit Jahrhunderten vergiftet. Damals interessierte mich dies recht wenig, doch die Jahre vor seinem erneuten Eintreffen waren nicht gut zu meiner Domäne gewesen. Dürre in den Sommern und schreckliche Stürme in den kälteren Monaten. Zelios erschien des Frühlings und brachte einen Boten mit sich, den er auf der Straße aufgelesn hatte. Ich öffnete den Brief im Beisen Zelios und meiner Gefährten und las. 116 Jahre, was für mich damals wie eine Ewigkeit wirkte schien für andere nichts weiter als die gewöhnliche Spanne zwischen Schuld und Wiedergutmachung zu sein. Denn an diesem Schreiben fiel mir das mir bekannte byzantinische Siegel auf. Und als hätte ich es geahnt, fiel mir beim Öffnen gleich ein halber Ring in die Hand. Ich hätte ihn überhaupt nicht an meine Hälfte halten müsse, um zu wissen, dass er passte. Der Brief war von Myca Vykos, natürlich. Sein Schreibstil war ebenso glatt und geschmeidig wie sein persönliches Auftreten. Die Rückzahlung unserer Schuld erschien leichter als ich erwartet hatte, aber wesentlich mysteriöser. Vykos schrieb, dass der Erzmagier Goratrix, Kind von Tremere, sich auf dem Weg nach Ceoris, dem Haupthaus seines Clans, befand und es Vykos Wunsch wäre, ihn sicher dort ankommen zu sehen, auf das er seine Strafe durch seinen Herrn erhielte. Wir würden ihn im Norden Siebenbürgens treffen und ihn durch Transylvanien begleiten. Diago, du weisst, dass ich durchaus schwierige Situationen zu schätzen weiß, wenn ich sie verstehe. Diese jedoch war mir ein völliges Rätsel. Warum würde gerade ein Tzimisce besorgt um die Sicherheit eines Tremere sein? Welchen Verbrechens hatte Goratrix sich blos Schuldig gemacht, auf das eine Strafe schlimmer als der Tod durch Vykos Clansbrüder steht? Nun, die Schuld musste zurückgezahlt werden, welchen Sinn machte es da planlos herumzuspekulieren?
An dieser Stelle meldete sich Zelios erneut mit einer Bitte an uns. Da wir schon Ceoris besuchen würden, könnten wir ihn in seinem Kampf gegen den Dämon Kupala unterstützen. Er sagte er hätte mitlerweile einen Weg gefunden, ihn zu bändigen. Mittels eines geomantischen Schutzrituals an mehreren ausgewählten Burgen und Schlössern Transylvaniens angebracht, würde Kupala wieder in der dunklen Erde des Landes verschwinden. Außerdem brachte er selbige Runen auch an meinem Schloss an. Ich versprach ihm zu helfen, schliesslich hatte ich Kupalas böses Werk selbst erleben müssen.

Eskorte, November 1314
Wir waren mehrere Tage unterwegs, denn der noch immer anhaltende Regen und Sturm verwandelte die Strassen in Tümpel und legte entwurzelte Bäume in unseren Weg. Währenddessen dachte ich viel über Octavios Worte nach. Der Fall eines großen Magus, Goratrix, da war ich mir sicher. Die Frage war nur ob wir mit seiner Eskorte das Zeichen verhindern oder erfüllen würden, aber dies ist ja die Natur von Phrophezeihungen.
Wir erreichten Timisoara nass, ausgekühlt und mit böser Vorahnung. Wir trafen Mycas Agenten in der Gruft der Kapelle. Es waren Vampire in türkischer Kleidung, offensichtlich Assamites. Goratrix lag aufgebahrt neben ihnen, bis sie den Phahl aus seinem Herzen entfernten und er sich sogleich auf die mitgeführte junge Frau stürzte. Während er trank übergaben die beiden uns offitiell unseren 'Passagier' und nahmen rasch Abschied. Die Frau war mittlerweile entleert und Goratrix verbrannte den Körper. Dann sah er uns zum ersten Mal an und schien verwundert und amüsiert über uns. Wir schienen wohl nicht das zu sein, was er erwartet hatte. Trotzdem verloren wir keine Zeit und unterrichteten ihn von unserem Auftrag und drängten auf eine baldige Abreise. Zögernd stimmte er zu und wir begannen die Reise.
Wir waren viele Tage unterwegs, Regen und Sturm nahmen zu. Ich hatte das bereits die letzten Winter beobachtet, doch noch nie ein Gewitter wie dieses. Blitze schlugen rundherum ein und auch in Fabien und Goratrix. Während Goratrix kaum etwas zu spüren schien wäre diese Nacht Fabien beinahe zum Verhängnis geworden. In diesen Nächten auf den Strassen hatte ich ausgiebig Gelegenheit mit dem Magus ins Gespräch zu kommen. Er blieb stets verschlossen und wirkte gar auf eine beunruhigende Weise verschlagen. Dennoch erfuhr ich das Goratrix ein Verbrechen begangen hatte. Ein verbrechen an seinem Clan, doch angesichts der Regelstrenge der Tremere war dies wohl keine Kunst. Ein Experiment habe ihn in diese Lage gebracht. Fragt sich nur ob ihm sein Clan zürnte weil das Experiment fehl schlug oder weil es ihm gelang. Er schien sehr grosse Angst vor seiner Bestrafung zu haben, doch würde er es wohl überleben. Gerne würde er sich dem entziehen. Doch wie ich abhängig von Raoul und gebunden durch mein Versprechen an Vykos war, war er gebunden durch das Blut seines Vaters. Goratrix war noch immer mächtig, mächtig genug um jeden von uns zu zerschmettern, doch in seinem Innern war er schwach. Ich war überzeugt das er, falls er der Magus aus der Prophezeiung war, nur durch seinen Tod noch tiefer fallen könnte und das würden wir zu verhindern wissen. Beruhigt durch diese Erkenntnis verstrich die Zeit unserer Reise und obgleich wir angespannt und wachsam waren verspürten wir doch nicht den unerbittlichen Druck der vor der Reise auf unsere Schultern gelegt wurde.

Alceditz, Dezember
Wir kehrten im Gasthof von Alceditz ein. Dies war nicht mehr als ein kleines Dorf in den Transylvanischen Alpen, doch war Ceoris schon sehr nahe, und ich fragte mich wie nahe wir wohl noch würden gehen können, bevor die Tremere sich uns in den Weg stellen würden. Wir richteten uns ein und verweilten noch den Rest der Nacht in der Gaststube als wir in den zweifelhaften Genuss eines höchst seltenen Anblicks kamen. Eine Gruppe Templer erreichte das Dorf um sich vor ihrer Weiterreise mit Nahrung zu versorgen. Ich schmunzelte bei dem Gedanken daran, wie die gottesfürchtigen sich gegenseitig zerfleischten, doch Goratrix' Reaktion war höchst eigenartig. Er war aufgeregt und verlangte sofort den Templern nachzusetzen und zu überfallen. Ich war von dieser Idee nicht sehr angetan. Nicht nur wollte ich einen Kampf mit den kriegerischen Glaubenshütern vermeiden, ich glaubte nicht das bei diesem Haufen gejagten Wildes noch etwas von Wert zu holen sei. Doch Goratrix war wie gebannt und überzeugte mich schliesslich. Immerhin, er war alt und nicht von der Sorte Mann, die Hirngespinsten hinterherjagte. So war es beschlossen. Eine Meile ausserhalb des Dorfes fielen wir über sie her. Der Kampf war kurz und blutig, doch die Ordensbrüder waren von Anfang an verloren. Rasch durchsuchten wir ihre Habe und fanden alsbald eine reich verzierte Truhe, die wir sofort aufbrachen um uns den Inhalt anzuschauen. Er bestand aus einigen Schrifttafeln, verfasst in derselben Schrift wie die Tafeln, welche wir auf dem Tihuta Pass fanden. Im Gegensatz zu uns war Goratrix jedoch garnicht begeistert von diesem Fund. In einem zornigen Ausbruch schlug er auf den Wagen und brach ihn damit entzwei. Dann kehrte er ohne ein weiteres Wort zurück nach Alceditz. Ich liess die Tafeln einpacken und stellte Goratrix zur Rede, der allerding jegliche Auskunft darüber ablehnte, was er denn zu finden gehofft hatte.
Als wir am nächsten Abend erwachten erwarteten uns bereits einige Männer, die sich als Diener der Tremere ausgaben, die Goratrix Eskorte von nun an übernehmen würden. Noch während ich entschied, ob diese Männer die Warheit sagten kam Goratrix in die Stube. Als er die Männer sah, ergriff er sofort die Flucht und wir stürmten hinter ihm her. Auf einer Lichtung am Waldesrand fanden wir ihn schliesslich, starr und mit weit aufgerissenen Augen. Doch plötzlich sahen auch wir, worauf er starrte. Mitten auf der Lichtung erschien ein mächtiger Schatten und darin materialisierte sich der mächtige Kopf eines Mannes mit grauem, strähnigem Haar und durchdringendem Blick. Goratrix stotterte erschreckt , "Tremere!", da fiel der Blick des Antediluvians auf uns. Ein schrecklicher Schmerz durchfuhr mich, und als er mir direkt in die Augen sah, da spürte ich seine grenzenlose Verachtung die er für niedere Wesen wie uns empfand. Ich fühlte alle meine Gedanken meinem Kopf entweichen und in den Schlund des Erzmagiers strömen. Und als er mit meinem Geist fertig war, kümmerte er sich um meine Hülle. Der Druck in meinem Kopf stieg ins unerträgliche und ich war nahezu dankbar als meine Trommelfelle rissen und meine Augen platzten und ich nichts mehr sehen und hören musste, bis ich meinen Körper sich auflösen fühlte und dann fühlte ich eine lange Zeit nichts mehr. Als ich wieder erwachte, auferstanden vom Tod, wie ich glaubte, hatte ich mich nicht bewegt und es schienen auch kaum zwei Sekunden vergangen zu sein. Tremere hatte seinen Blick gerade von uns abgewand und befahl Goratrix, ihm zu folgen. Wie in Trance folgte er dem Befehl seines Erschaffers und verschwand im Schatten, aus dem sich nun eine zweite Gestalt löste. "Bezahle ihren Preis, Etrius", donnerte die Stimme Tremeres und er verschwand. Wie betäubt erinnerten wir uns nur mit Mühe an unseren Auftrag und bewegten Etrius dazu, Zelios Runen an den Mauern Ceoris anzubringen, dann verschwand er und wir waren wieder allein in der wohltuenden Stille des Waldes.

Keine Rast
Zurück in Alba Iulia wartete bereits ein Brief von Zelios auf uns. Er erklärte in dringenden Geschäften Transylvanien verlassen zu müssen. Darum sollten wir zum Schloss von Voivode Vintila Basarab reisen um dort ebenfalls seine Runen anzubringen. Diese würde die letzte sein und eine plötzkiche Wetteränderung würde unseren Erfolg bestätigen.
Da das Schloss nur wenig mehr als eine Tagesreise entfernt war, reisten wir ohne weitere Vorbereitung los. Das Schloss war zu wenig mehr als einer besseren Ruine verkommen und lediglich ein Licht brannte im obersten Stockwerk des Turmes. So dauerte es dann auch mehrere Minuten bis ein Diener auf unser Klopfen hin das Tor öffnete und uns zum Herren des Hauses brachte. Bei diesem, einen Tzimisce mit verstreutem jugendlichen Aussehen stellten wir uns standesgemäß vor. Doch nicht mit Vintila Basarab hatten wir es hier zu tun, sondern mit seinem Kind Dragomir. Im Verlaufe des Abends stellte sich nicht nur heraus, wie angeschlagen sein geistiger Zustand war, indirekt gab er sogar die Diablerie an seinem Sire zu. Trotz seiner Ausbrüche erlaubte er uns die Runen anzubringen. Just als wir damit fertig waren hörte der strömende Regen urplötzlich auf. Doch nicht nur das Wetter war verändert, auch Dragomir schien die Kontrolle über sich zurückerlangt zu haben.
Gedankenschwer brachen wir wieder gen Heimat auf. War Kupala besiegt? Die Zeit würde es zeigen.
Wie du weisst, Diago, tut sie das immer, und unbarmherzig.
Ubiquios

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